#2komma42 – Gebet

Beobachtungen zu Gebet, Andacht oder Gottesdienst im digitalen Raum

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen,
da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)

Diese Stelle aus dem Matthäus-Evangelium ist bekannt. Ein starkes Argument für personale Begegnung unter Christen. Die Weitergabe von Glaubenserfahrungen in der persönlichen Begegnung, und die gemeinsame Spiritualität sind die wesentliche Konstanten der christlichen Gemeinschaft seit mehr als 2000 Jahren.

Rundfunkandachten und Fernsehgottesdienste sind etabliert – digitale Angebote galten bisher als Nischenangebot
Doch zu dieser Konstante kommt der Wandel. Kirche ist immer Kirche in einer sich verändernden Welt. Hier soll sie erreichbar und sichtbar sein und  in einer Sprache sprechen, die die Menschen ihrer Zeit erreicht. Die Medien bieten unterschiedliche Wege, Menschen anzusprechen. Der Apostel Paulus tat das per Brief,  Luther und die anderen Reformatoren nutzten die neue Technik des Buchdrucks,  heute sind nach Radio und Fernsehen das Internet und die Social Media hinzugekommen.  Kein Medium hat die bestehenden vollkommen ersetzt oder verdrängt, die Palette ist einfach größer geworden.

Längst haben sich Rundfunkandachten und Fernsehgottesdienste etabliert. Doch auch im digitalen Raum gibt es schon seit längerem Angebote, die zu Gebet, Andacht oder gemeinsamen Gottesdienst einladen. Lange galten sie als Nischenangebot für die „Nerds“ oder wurden mit Skepsis betrachtet.

In der Corona-Krise werden digitale Angebote zur Blaupause für neue Möglichkeiten der Gemeinde
Jetzt, in der Corona-Krise, werden diese Angebote zur Blaupause für viele neue Angebote im Netz, auf YouTube, Facebook, Instagram oder in Messenger-Diensten: Der Pfarrer in einer Gemeinde feiert den Gottesdienst im vertrauten Kirchenraum, die Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesucher, die nun nicht vor Ort mitfeiern können, kommen per Livestream, über  YouTube oder Facebook hinzu und über die vertraute Liturgie und den vertrauten Kirchenraum findet die Gemeinde zusammen und feiert  Gottesdienst.  Eine andere Gemeinde erlebt einen lebendigen Gottesdienst über WhatsApp. Eine weitere Gemeinde lädt ein zum täglichen gemeinsamen Gebet: Das Gebet wird am Morgen auf der die Internetseite der Gemeinde veröffentlicht, am Abend um 19 Uhr wird es an verschiedenen Orten, am PC oder Handy gebetet. Alle Mitbeterinnen und Mitbeter stellen sich in diese Gebetsgemeinschaft, die einen neuen Raum schafft – und der doch dem so ähnlich ist, was wir seit Beginn des Christentums praktizieren: uns in die Gebetsgemeinschaft der Vielen an ganz verschiedenen Ort, Zeiten und Jahrhunderten zu stellen und sich mit ihnen vor Gott verbunden zu fühlen.

Neue Ansätze und bereits bewährte Angebote
Diese drei Beispiele stehen stellvertretend für die vielen neuen Ansätze in den beiden letzten Wochen, manche mehr traditionell, manche eher experimentiell, z.B. auf der Social-Media-Plattform Instagram ist viel von der Freude zu merken, Spirituelles neu darzubieten und auch für nicht traditionelle Kirchgänger spannend zu machen.

Unser Projekt „#2komma42 – VerNETZt  im Glauben“ hat gerade erst begonnen – und im Lauf der Wochen und Monate sollen hier einige dieser neuen Angebote ausführlicher vorgestellt werden. Im folgenden finden sich erst einmal, als Grundlage, eine Auswahl spiritueller Online-Angebote und Gottesdienste, die schon seit längerem bestehen:

Twomplet als spirituelles Angebot

Das Angebot der Twomplet gibt es seit 2014. Der Name setzt sich zusammen aus „Twitter“ und „Komplet (Nachtgebet)“. Es ist ein ökumenisches Angebot auf Twitter mit derzeit fast 3400 Followern. Die Twomplet, dieses virtuelle Nachtgebet, wird jeweils um 21 Uhr gehalten. Im Unterschied zur Komplet schließt die „Twomplet“ auch Fürbitten ein. Fürbitten können für allen, die der Andacht auf Twitter folgen, in die Andacht eingebracht werden.

„Natürlich habe sich am Anfang die Frage gestellt, ob so etwas auf Twitter funktioniere, gibt Pater Maurus  aus Königsmünster zu. Doch mittlerweile gebe es daran keinen Zweifel mehr. Auch auf Twitter könne der Geist Gottes wirken, so der Benediktiner.“

Eine Twomplet kann auch die Gebetsgemeinschaft vor Ort mit der Gebetsgemeinschaft im Netz verbinden. Ein solche Twomplet vor Ort und im Netz wurde z.B. 2016 in Köln gefeiert und ist hier als Video dokumentiert:
Twomplet aus der Kartäuserkirche in Köln

Online Beten

Eine Online-Gebets-Gemeinde ist ein Angebot der Online-Kirche der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands : „Was macht dir Gedanken? Woran leidest du? Schreib uns dein Gebetsanliegen! Wir beten als OnlineKirche regelmäßig für eure Anliegen. Persönlich und anonym.“ Die Online-Kirche bietet neben der persönlichen stellvertretenden Fürbitte auch die Möglichkeit, sich den Gebeten anderer über eine Wortwolke anzuschließen: „Du kannst dein Anliegen hier vor Gott bringen und andere können sehen, wofür du gebetet hast. So wird mit der Zeit sichtbar, wofür Menschen in der OnlineKirche beten und du kannst dich auch den Gebeten anderer anschließen.“

Ähnliche gemeinsame Gebets-Angebote gibt es auch im freikirchlichen Bereich, z.B. Amen.de oder Praybox

Social-Media-Gottesdienste

Social-Media-Gottesdienste werden seit einigen Jahren sporadisch gefeiert, u.a. in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie laden die Gottesdienstbesucher vor Ort  und diejenigen, die ggf. über Livestream dem Gottesdienst im Netz teilnehmen, ein, sich sich mit ihren Gedanken und Gebeten am Gottesdienst zu beteiligen. Das Gottesdienstgeschehen bekommt so einen Rückkanal.

Die Posts können z.B. über Twitter,  Instagram oder über den Facebook-Messenger eingehen. Durch ein mit Raute gekennzeichnetes Schlagwort, den sogenannten Hashtag, wird im Netz die Zuordnung des Postes zum Gottesdienst möglich.

Verkündigung des Evangeliums knüpft in den Social-Media-Gottesdiensten wieder an die  ursprüngliche Form, nämlich an den Austausch, die  Kommunikation des Evangeliums an, wie auch die Urgemeinde sie lebte. Social Media Gottesdienste sind darüber hinaus (auch) eine Einladung für Kirchenferne.

#unverzagt 2017: Social-Media-Gottesdienst anlässlich des Reformationsjubiläums
Zusammen mit dem Dezernat Politik und Kommunikation der Evangelischen Kirche im Rheinland hat die Evangelische Akademie im Rheinland anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 einen solchen Social-Media-Gottesdienst in einem IT-Systemhaus in Aachen gefeiert. Das Video des Gottesdienst #unverzagt2017 kann hier abgerufen werden. Der Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Ralf Peter Reimann, hat in seinem Blog theonet darüber geschrieben.
Auch anlässlich des Kirchentags am 26. Mai 2017 in Magdeburg wurde unter Beteiligung der Evangelischen Kirche im Rheinland ein Social-Media-Gottesdienst gefeiert. Zum Video

Gottesdienst über Entfernungen hinweg feiern per Skype

Partnerschaft 2.0 des Kirchenkreises Saar-West

Das Projekt „Partnerschaft 2.0“ des Kirchenkreises Saar-West zeigte dazu Best Practice. Beim Medienpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland 2017 wurde dieses Projekt mit dem 2. Preis prämiert.

In den Jahren 2016 und 2017 haben Jugendliche aus beiden Kirchenkreisen mittels Videokonferenz per Skype auf unterschiedlichen Kontinenten zusammen jeweils einen Gottesdienst in deutscher und französischer Sprache gefeiert.Der virtuelle Raum wurde hier zum gemeinsamen Gottesdienstraum.

„Der Gottesdienst wird gemeinsam gefeiert: Gestaltungselemente wie Eröffnung in Gomaville: Es singen verschiedene Chöre, sie sind bei uns auf der Leinwand zu sehen und zu hören. Eröffnung bei uns: Die Band singt das Eröffnungslied, es wird nach Goma übertragen. Das Eingangsgebet wird in Rodenhof übernommen, der Psalm wurde im Wechsel gebetet. So als ob man nebeneinanderstünde vor der Gottesdienstgemeinde, die andere ist auf der Leinwand zu sehen. So entstand ein gemeinsames Gottesdienstgefühl.“

Das Projekt beschränkt sich aber nicht nur auf den Punkt des gemeinsam gefeierten Gottesdienstes, ausgerichtet von je einer Kirchengemeinde in den Kirchenkreisen Goma und Saar-West. Die interkulturelle Begegnung zwischen den Jugendlichen in Goma und im Kirchenkreis Saar-West gewinnt dadurch an Tiefe und Nachhaltigkeit, dass die Gottesdienste gemeinsam geplant werden und sich die Menschen bei den gegenseitigen Besuchen in ihrer Partnergemeinde auch persönlich begegnen können, denn zwischen dem Kirchenkreis Saar-West und dem Kirchenkreis Goma besteht seit 30 Jahren eine Partnerschaft. „Die gastgebenden Gemeinden lernen die Partnerschaftsarbeit live kennen und erleben deren Lebendigkeit“, war in der Projektvorstellung zu lesen.

Gemeinsamer Gottesdienst in Rheydt (Mönchengladbach) und Pasym (Polen) aus Anlass des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs 

Aus Anlass des Gedenkens an den Ausbruch des 2. Weltkriegs hat die Evangelische Kirche im Rheinland im September 2019 ebenfalls einen solchen Gottesdienst gefeiert:  1200 Straßenkilometer lagen zwischen der Hauptkirche zu Rheydt in Mönchengladbach und der Kirche im polnischen Pasym (früher Passenheim). Und doch feierten die beiden evangelischen Partnergemeinden gemeinsam Gottesdienst – verbunden per Internet-Liveschaltung. Am Tag, an dem sich der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann, zum 80. Mal jährte, predigte Präses Manfred Rekowski von Rheydt aus via Skype zu beiden evangelischen Gemeinden. Von beiden Kirchen aus gestalten die Mitwirkenden den Gottesdienst. Das Video kann auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Kirche im Rheinland abgerufen werden. Zum Video

Welche Räume für Spiritualität, Gottesdienst und Gebet bieten die digitalen Netzwerke? 

Mit dieser Frage hat dieser Beitrag begonnen. Im Lauf dieses Beitrags habe ich ein paar Räume vorgestellt, ein paar Türen geöffnet, um per Video mehr zu erfahren.Im Laufe des Projektes wird es weitere Impulse geben und vor allem, die Gelegenheit zum Gespräch. Doch vielleicht möchten Sie schon jetzt ins Gespräch kommen?
Dann schreiben Sie mir Ihre Eindrücke, Ihre Gedanken! Einfach per Mail an
hella.blum@akademie.ekir.de!

Logo des Projektes #2komma42

Dies ist ein Beitrag zu unserem Projekt „#2komma42 – VerNETZt im Glauben“, dem Jahresprojekt der Evangelischen Akademie im Rheinland im Jahr 2020.
Autorin ist Hella Blum, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie im Rheinland für den Bereich „Medien“.

Update:
Das Projektseite ist geschlossen.
Einige der Beiträge der Projektseite finden sich jetzt auf der Website
kirche-und-digitaler-wandel.de. Sie sind jeweils erkennbar am Logo des Projekts.